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Die Wahrheit hinter „Der tut nichts!“ Oder: Zusammentreffen von abgeleinten und angeleinten Hunden

Eine Bulldogge läuft zu einen Labradoodle.
"Der tut nichts!", hört man oft, wenn ein abgeleinter Hund an einen angeleinten heranläuft.

Theoretisch sollte es so laufen: Zwei Hunde treffen aufeinander. Einer ist angeleint, der andere frei. Der freilaufende wird ohne vorherige Absprache NICHT an den angeleinten herangelassen.
Praktisch läuft es überwiegend anders ab: Zwei Hunde treffen aufeinander. Einer ist angeleint, der andere frei. Der freilaufende Hund wird ungefragt an den angeleinten herangelassen.
Diese Situation erlebe ich selbst immer wieder und bekomme sie auch regelmäßig von den Kunden unserer Hundeschule geschildert. Und es ärgert mich. Maßlos.

„Der tut nichts!“ gehört nicht zum guten Ton

Auf die freundliche, aber eigentlich total überflüssige Bitte, „Würden Sie Ihren freilaufenden Hund bitte nicht an meinen (angeleinten) heranlassen“, gibt es etliche Reaktionen, nur wenige davon sind sinnvoll. Überflüssig ist die Bitte deshalb, weil es zum guten Ton gehört, einen frei laufenden Hund nicht ungefragt an einen angeleinten heranzulassen.

Der „gute Ton“ glänzt jedoch regelmäßig durch Abwesenheit. Stattdessen hört man folgendes:

  • „Der tut nichts.“
    (Wahrscheinlich die häufigste Reaktion. Aber: Hätte ich das wissen wollen, hätte ich danach gefragt.)
  • „Meiner will nur mal eben Tach sagen.“
    (Es ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal, was der gerade will.)
  • „Ihrer muss doch auch mal Sozialkontakte haben.“
    (Aha. Vielleicht befinde ich mich ja gerade auf dem Rückweg von einer Hundespielstunde?)
  • „Wiieesoooo?“
    (Muss ich mich etwa rechtfertigen?!)
  • „Mach deinen doch auch frei!“
    (Erstens: Ich bin für Fremde nicht „Du“ sondern „Sie“. Und zweitens: Hätte ich das gewollt, wäre die Leine längst ab.)
  • Oder man kuckt einfach nur in fragende Gesichter.
    (Besten Dank, wenigstens kucken sie mich an und ignorieren mich nicht einfach.)

Muss man sich mit einem angeleinten Hund etwa rechtfertigen oder erklären?

Derjenige, der seinen Hund an der Leine führt, muss sich weder rechtfertigen, warum er seinen Hund an der Leine führt, noch wieso er gerade keinen Kontakt zu anderen Hunden haben soll. Ob ich meinen Hund nun an der Leine führe, weil

Ein Mensch führt einen Hund an der Leine.
Einen Hund an der Leine zu führen, bedarf keiner Rechtfertigung.
  • ich trainiere,
  • ich einen tendenziell unverträglichen Hund habe,
  • ich mich an die vorgeschriebene Leinenpflicht halte,
  • ich meinen Hund ohne Leine nicht abrufen kann,
  • ich einen kranken Hund habe,
  • ich meinen Hund gerade einfach nicht ableinen will
  • oder, oder, oder

ist für den Hundehalter des freilaufenden Hundes absolut irrelevant! Er kann bei Interesse, nachdem er seinen Hund bei sich hat, ja gerne nachfragen.

Rücksichtslosigkeit und Bequemlichkeit bei Hundehaltern mit abgeleinten Hunden

Wer seinen Hund ohne Leine laufen lässt, muss diesen so gut unter Kontrolle haben, dass er eben nicht ungefragt an einen angeleinten Hund heranläuft.

Antworten wie „Der tut nichts!“ sind für mich die nette Umschreibung von „Der hört nicht auf mich!“.

Denn: Wenn ich meinen abgeleinten Hund tatsächlich noch abrufen kann, wenn er einen anderen Hund gesehen hat, dann mache ich das doch auch – oder nicht? Das ist doch der Traum eines jeden Hundehalters. Ich bin der festen Überzeugung: Wer es kann, der macht es auch. Ohne Aufforderung.

Natürlich gibt es Ausnahmen. Kein Hund ist perfekt. Menschen ebenso wenig. Selbstverständlich kann es dadurch auch mal passieren, dass ein freilaufender Hund an einen angeleinten ungewollt heranläuft. Dann läuft man aber los, sammelt seinen Hund schleunigst wieder ein und entschuldigt sich für diese Situation. Mit einer Reaktion wie „Der tut nichts!“ zeigt man

  1. Rücksichtslosigkeit und
  2. (wenn wir einmal ganz ehrlich sind:) Bequemlichkeit.

Zum Thema „verlässlicher Rückruf“

Ich bin oft mit (wohlgemerkt angeleinten!) Hunden unterwegs, die sich gerade in der Ausbildung befinden. Sie sind je nach Stand der Ausbildung noch gar nicht verlässlich abrufbar.

Solange ein Hund mich an der Leine noch nicht respektiert, kann ich nicht erwarten, dass er es ohne Leine tut. Da hilft auch kein alberner Rückruf-Kurs.

Ein freilaufender Hund rennt an einen angeleinten Hund heran.
Leider Alltag: Ein unangeleinter Hund läuft an einen angeleinten heran.

Folglich muss ich ihn zu Beginn der Ausbildung zunächst einmal angeleint führen und kann den Freilauf nur in gesicherter Umgebung zulassen.
Ebenso ist es möglich, dass man einen kranken Hund bei sich führt, der zum Beispiel gerade am Kreuzband operiert wurde und auf gar keinen Fall toben darf, weil sonst das Band gleich wieder reißt.

Möge also bitte irgendwann der Zeitpunkt kommen, an dem jeder Hundehalter seinen Hund nur dann ohne Leine laufen lässt, wenn er ihn auch verlässlich abrufen kann.

verfasst von:

Eine blonde Frau schmust im Sitzen mit einem großen, weißen Hund.
Ramona
Lütjohann,

Hundetrainerin & Tierpflegerin