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Hundeprofis im TV: Die vermeintlich schnelle Hundeerziehung und ihre Folgen

Hundeprofis im TV und die Folgen
Die Sendungen über Hundeprofis im TV zeigen häufig ein falsches Bild über die Dauer der Hundeerziehung.

Die Sendungen über Hundeprofis im TV beeinflussen die Geduld und die Erwartungshaltung der Hundehalter. Der Druck ist dadurch hoch – für Hunde und für Hundetrainer. Schnell soll es nämlich gehen, wenn der Hund erzogen wird. Mit möglichst wenig Aufwand, bitte. Die Aussage, dass es um eine Beziehung geht, die oftmals von einer eingefahrenen Routine geprägt ist und sich deswegen nicht „mal eben schnell“ verändern lässt, nimmt der Hundehalter vom Hundetrainer in der „realen Welt“ bestenfalls akustisch wahr, entwickelt jedoch manchmal nur wenig ernsthaftes Verständnis hierfür.

WIE BITTE?! Drei Monate soll es dauern, um das Verhalten eines vierjährigen Hundes und das des Hundehalters komplett zu ändern?!
Eineinhalb Monate, bis der Welpe nicht mehr beißt UND stubenrein ist UND auch unter Ablenkung passabel an der Leine geht UND ohne Leine kontrollierbar ist?! So lange?
Also bei den Hundeprofis im TV ging das alles viel schneller.

In der Realität geht es leider nicht so schnell wie es bei den Hundeprofis im TV dargestellt wird

Dem Welpen auch am zehnten Tag nach Trainingsbeginn noch das Beißen in Hände und Kleidung verbieten zu müssen, frustriert manch einen Hundehalter schon wieder so sehr, dass er den Welpen mitunter „doch mal machen lässt“. War ja auch gar nicht so doll grad.
Beißt der Welpe als logische Konsequenz aus dieser Inkonsequenz weiter und dann vielleicht ein Loch in das Hosenbein des 800€-teuren Maßanzugs, ist Holland in Not. Der Hundetrainer unfähig. Der Welpe lernresistent. Die Geduld am Ende. Und der Anzug kaputt.

Während Kinder in der ersten Klasse fünf Tage am Stück 200 Mal ein „O“ in Groß- UND Kleinschrift üben und alle begeistert von dem Fortschritt schwärmen, möge der Hund bitte in einem Wochenendkurs sein Abitur machen. Mit einem Notendurchschnitt von 1,0 versteht sich.

Woher kommt diese Ungeduld bei Hundehaltern, die wächst wie Unkraut?

Wer gießt und düngt diese Ungeduld regelmäßig, sodass sie nicht aufhört, zu wachsen und Hundetrainer sich gebetsmühlenartig den Mund fusselig reden müssen, wenn es um Themen wie Erwartungshaltung und Geduld geht?
Das an sich schnelle Leben geprägt von unkompliziertem Fast-Food, schnellen Online-Einkäufen und unverbindlichen Kurznachrichten statt soliden Gesprächen mögen das Wasser für dieses Unkraut sein.
Der hocheffiziente Dünger sind jedoch Fernsehshows, in denen binnen 90 Minuten (inklusive Werbepausen!) erfolgreiche Hundeerziehung gezeigt wird und NICHT unmissverständlich darauf hingewiesen wird, wie lange und wie viel wirklich trainiert wurde!

Die Fakten hinter der Arbeit mancher Hundeprofis im TV

Hintergründe über die Arbeit einiger Hundeprofis im TV.
Diese Fakten verbergen sich zum Teil hinter einer nicht einmal 90-minütigen TV-Sendung.

Bei einigen Fernsehsendungen wird in einem Nebensatz erwähnt, dass zwischen diesem und dem letzten Treffen – sage und schreibe – drei Wochen liegen. Was die Zuschauer jedoch nicht erfahren, sind die wahren Hintergründe bei der Arbeit. Hinter manch einer Sendung stecken Fakten wie diese:

Die Teilnehmer bekommen in DREI BIS SECHS MONATEN BIS ZU 50 TRAININGSEINHEITEN. (Quelle: Stern, Ausgabe 27/2012, Seite 54).

Bisher ist kein Dementi dieser Information bekannt.

In einem 14-seitigen Stern-Artikel hat diese Info tatsächlich vier kurze Zeilen umfasst und somit eine reelle Chance, überlesen zu werden. Der Fokus mag auf anderen Dingen gelegen haben. Dennoch sind diese vier Zeilen der Halsbonbon vieler heiser predigender Hundetrainer, die geneigt sind, diese Zeilen auf Plakatgröße auszuhängen und zusätzlich jedem Hundehalter in ihrer Hundeschule ein hiermit bedrucktes Shirt zu schenken.

Auch bei den Hundeprofis im TV dauert Hundeerziehung mehrere Monate und viele Einzelstunden!

Die Aussage an sich enthält keinen neuen Inhalt. Jedem vernünftigen Hundetrainer ist klar, dass sich unerwünschtes Verhalten nicht binnen kurzer Zeit wegzaubern lässt. Und auch, dass Geduld und Konsequenz die Quintessenz der Hundeerziehung sind. Den Hundehaltern ist dies nur leider nicht immer so präsent bewusst.

Da der Mensch an sich häufig nur das aufnimmt, was er aufnehmen will, überhört er möglicherweise auch den Hinweis auf die „drei Wochen“ in einer solchen Fernsehsendung. Informationen wie zum Beispiel „50 Trainingseinheiten in drei bis sechs Monaten“, werden oftmals gar nicht erst erwähnt. Den Hunden ist damit nicht geholfen. Den Hundetrainern auch nicht. Den von Erwartungsdruck und Ungeduld geplagten Hundehaltern schonmal gar nicht.

Fernsehsendung versus Realität

Drei Yorkis sitzen ruhig neben einer Katze.
Hunden das erwünschte Verhalten beizubringen braucht einfach Zeit. Und Geduld.

Irgendwann kommt unweigerlich die Realität ins Spiel. Schmerzlich muss der Hundehalter dann erfahren, dass sich mit „schnell, schnell“ und „mal eben ein bisschen“ keine Beziehung verändern und auch kein Hund erziehen lässt.

Die in meinen Augen wichtigste Aussage über die Dauer des Trainings geht nicht nur bei den Fernsehsendungen sondern auch in dem Stern-Artikel unter. Dabei hätte sie eine Erwähnung in der Überschrift des Artikels verdient. Und im Vorspann aller Sendungen.

Vielleicht… Hätte… Wäre… Wenn…

Vielleicht hätte sich dann die Einstellung der Hundehalter geändert. Vielleicht wäre dann der Erwartungsdruck dem Hund gegenüber rapide gesunken. Vielleicht hätten dann viele, viele Hundetrainer mehr Zeit, mit Mensch und Hund zu trainieren und müssten weniger von Geduld predigen. Vielleicht hätte sich dann aber auch der Glanz um die Hundeprofis im TV gelegt.
Und vielleicht wäre das auch eben gar nicht im Sinne des Erfinders gewesen.

Was dennoch bleibt, ist die ungeschminkte Wahrheit: Auch die Hundeprofis im TV kochen nur mit Wasser, können Hunde nicht verzaubern und lassen die Hundehalter ÜBER MONATE IN ZIG EINZELSTUNDEN an der Beziehung zu ihrem Hund arbeiten. Nur weil es im Fernsehen nicht explizit erwähnt und gezeigt wird, heißt es nicht, dass es nicht passiert ist. Aus der Traum von „mal eben schnell den Hund erziehen“…

Diese Fernsehsendungen tragen auch Verantwortung…

…für das, was über die Arbeit der jeweiligen Hundetrainer ausgestrahlt wird. Hierzu gehört für mich auch, jeden Zuschauer auf die notwendige Geduld und das gute Durchhaltevermögen für die Hundeerziehung deutlich hinzuweisen. Dann wäre Hundeerziehung für alle Beteiligten leichter – für den Hund, den Hundehalter und den Hundetrainer.

verfasst von:

Eine blonde Frau schmust im Sitzen mit einem großen, weißen Hund.
Ramona
Lütjohann,

Hundetrainerin & Tierpflegerin