1. Startseite
  2. Ratgeber & Magazin
  3. Hundeerziehung
  4. Rückruftraining und Rückrufkurse

Rückruftraining/Rückrufkurse: Sinn oder Unsinn?

Rückruftraining Hund
Verlässlicher Rückruf auch unter Ablenkung - wohl der Traum aller Hundehalter.

„Ich will NUR, dass mein Hund immer sofort zurückkommt, wenn ich ihn rufe.“ Das ist wahrscheinlich der am häufigsten geäußerte Wunsch in unserer Hundeschule.

Diesem Wunsch können sich wohl alle Hundehalter anschließen. Der verlässliche Rückruf hat oberste Priorität und ist für Hundehalter in der Regel wichtiger als alle anderen Aspekte der Hundeerziehung. Dennoch schaffen es nicht alle Hundehalter, dass dieser Wunsch auch in Erfüllung geht. Umso naheliegender ist augenscheinlich ein gezieltes Rückruftraining.

Rückruftraining klingt vielversprechend…

…denn es vermittelt Hundehaltern die gezielte Arbeit am für sie wohl wichtigsten erzieherischen Ziel: dem verlässlichen Rückruf aus jeder Situation. Hieran zu arbeiten macht in Anbetracht des angestrebten Ziels natürlich viel mehr Spaß als z. B. das Training der Leinenführung. Wer braucht schon die Leine, wenn der Hund immer abrufbar ist?

Wenn das Rückruftraining hält, was es verspricht, werden diese allseits bekannten Szenarien mit einem abgeleinten Hund der Vergangenheit angehören:

  • Der Hund sprintet einem Kaninchen hinterher, verschwindet Haken schlagend am Horizont.
  • Der Hund hetzt einer Gruppe Rehen hinterher, bleibt eine gefühlte Ewigkeit im Wald.
  • Der Hund sieht in dreißig Metern Entfernung einen anderen Hund, läuft mit Vollgas einfach los.
  • Der Hund spielt mit anderen Hunden, hat dabei die Ohren konsequent auf Durchzug gestellt.
  • Der Hund rennt dem Radfahrer in die Speichen, lässt ihn dadurch fast vom Rad stürzen.
  • Der Hund wittert Nachbars Katze, rennt daraufhin quer durch den Garten, der leider ebenfalls dem Nachbarn gehört.
  • etc.

Und das alles, während der Hundehalter erfolglos abwechselnd ruft, pfeift, lockt und schimpft. Der Hund ignoriert all dieses und kommt erst dann zum Hundehalter zurück, wann er es will.

Zum Ablauf beim sogenannten Rückruftraining:

Ziel des Rückruftrainings ist, dass der Mensch mit seinem Hund entspannt ohne Leine spazieren gehen kann, ohne in permanenter Anspannung nach ablenkenden Reizen Ausschau halten zu müssen, die er meistens sowieso erst nach seinem Hund entdeckt.

Gesichert mit kurzer oder langer Schleppleine unter Einsatz von Spielball, Spieltau, normalem Futter, interessanterem Futter, normalem Leckerli, SUPER-Leckerli, Käse, Fleischwurst, Leberwurst, Ultraschallpfeife, Schrillpfeife, Mickey-Maus-auf-Helium-Stimme, Sprühhalsband, Rückrufkommando und/oder doppeltem Rückruf soll dem Hund nun durch das spezielle, oft mehrere Monate dauernde Rückruftraining folgendes vermittelt werden:

  1. Zurückkommen lohnt sich mehr als Jagen oder zu einem anderen Hund laufen.
  2. Der Hundehalter ist spannender, interessanter und wichtiger als andere Hunde, Rehe, Kaninchen, Jogger, Radfahrer, Menschen etc.

Dies geschieht zunächst in reizarmer Umgebung wie der Wohnung und steigert sich allmählich über den Hundeplatz zum eigenen Garten, einsamen Feldweg bis hin zu dem, was man im normalen Leben eben auf einem Spaziergang treffen kann.

Leider wird ein reines Rückruftraining keinen Erfolg haben. (Unter Erfolg versteht sich ja, dass der Rückruf ohne Schleppleine auch bei einer Hunde-, Kaninchen- oder Rehbegegnung klappt. Auch wenn der Hund diese bereits gesehen oder gewittert hat.)

Denkfehler beim Rückruftraining

Es geht gar nicht darum, was der Mensch beim gezielten Rückruftraining alles rein theoretisch falsch machen könnte – auch wenn diese vermeintlichen Fehler so oft und häufig erwähnt werden, als wären sie tatsächlich von Belang.
(Es ist ein bisschen so wie mit einer Kohlsuppendiät. Viele probieren es, keiner hat durchschlagenden Erfolg.)

Es geht um den gravierenden Denkfehler (oder geldgierigen Vorsatz??) derer, die spezielles Rückruftraining anbieten (Hundetrainer). Mit diesem Angebot vermitteln sie den Hundehaltern, dass ein gezieltes Rückruftraining zum verlässlichen Rückruf führt. Und weil das bei Hundehaltern ins Schwarze trifft, werden solche Kurse gebucht und gebucht und gebucht.

Kleine Anmerkung zu den sogenannten „Trainingszielen“

– Zurückkommen lohnt sich mehr als Jagen oder zu einem anderen Hund laufen.
– Der Hundehalter ist spannender, interessanter und wichtiger als andere Hunde, Rehe, Kaninchen, Jogger, Radfahrer, Menschen etc.

Glauben Sie wirklich, dass ein Mensch, der ja nun mindestens den ganzen Spaziergang lang verfügbar ist, für einen Hund reizender, spannender und interessanter sein kann als Rehe, Kaninchen, andere Hunde etc., die spontan den Weg kreuzen? Zurückkommen soll toller sein als Jagen?? Abrufbarkeit hat letztendlich nichts mit Interesse sondern mit Respekt zu tun. Wer sich nun an dem Begriff „Respekt“ stört, der möchte vielleicht zunächst hier weiterlesen: Respekt in der Hundeerziehung Oder: Ein bisschen Aufklärungsarbeit

Fragen vor dem Gedanken an spezielles Rückruftraining

Bevor man von einem Hund das verlässliche Zurückkommen ohne Leine erwarten kann, muss man sich – rein von der Logik – folgende Fragen stellen (und sie ehrlich beantworten):

  • Hört mein Hund gesichert durch eine Leine sofort auf mich, wenn ich ihm ein Kommando gebe? Ohne Diskussion?
  • Kann ich mit meinem angeleinten Hund einwandfrei an anderen Hunden, Katzen, Rehen, Kaninchen, Joggern und Radfahrern vorbeigehen? Ohne Diskussion? Ohne dass er dorthin zieht?

Wenn dies mit Leine, wo der Hundehalter immerhin Zugriff auf den Hund hat (was der Hund ja auch weiß), nicht einwandfrei klappt, dann wird es ohne Leine selbstverständlich nicht besser klappen. Was mit Leine schon nicht klappt, kann erst recht nicht ohne Leine klappen.

Das wäre vergleichbar mit der Situation, dass ein Mensch einen Aufsatz schreiben soll, obwohl er noch gar nicht alle Buchstaben vom ABC gelernt hat. Oder eine Matheaufgabe lösen soll, obwohl er erst fünf Zahlen gelernt hat. Es fehlt dann einfach die absolut notwendige Basis.

Wenn aber all diese Dinge einwandfrei und ohne jegliche Diskussion klappen, ist das ein Zeichen dafür, dass der Hund auch unter Ablenkung starker Reize das Wort des Menschen respektiert und dann wird auch der Rückruf verlässlich klappen.

Fazit zum Rückruftraining

Die Basis der Erziehung muss zwingend gegeben sein, damit der Rückruf verlässlich klappen kann. Wenn bereits an der Leine die Begegnungen mit Reizen wie anderen Hunden, Katzen, Rehen, Kaninchen, Joggern, Radfahrer etc. nicht einwandfrei klappen, wird es auch ohne Leine in 99% aller Fälle nicht besser laufen.

Folglich muss als Vorbereitung zum verlässlichen Rückruf gar nicht der Rückruf trainiert werden, sondern ersteinmal alles andere in Situationen, in denen ich noch Zugriff auf den Hund habe. Für einen verlässlichen Rückruf hilft also kein Rückruftraining sondern ganz normale Hundeerziehung.

Zum Üben des Rückrufkommandos

Wer jetzt denkt „Mein Hund muss doch aber auch das Rückrufkommando erlernt haben“, der hat vollkommen Recht. Aber: Wenn der Hund sich ohne Ablenkung abrufen lässt, zeigt das doch, dass er das Kommando an sich verstanden hat. Er macht es aber eben nur, wenn er will.

Auch mit anderen Kommandos wie z. B. „Sitz“ haben viele Hundehalter das gleiche Problem:
Der Hund hat z. B. „Sitz“ verstanden.
Ist die Ablenkung nicht allzu groß, macht er auf Kommando „Sitz“
Das zeigt: „Kommando verstanden“.
Flitzen die Kaninchen über den Weg, macht er nicht mehr auf Kommando „Sitz“.
Das zeigt: „Hört nur, wenn er will“.

Dieses „hört nur wenn er will“ zu ändern in ein „hört, wenn der Mensch es will“, ist die wahre Erziehungsarbeit. Kommandos beibringen, die der Hund nur dann zeigt, wenn er gerade Lust hat, hilft auch nicht weiter.

verfasst von:

Eine blonde Frau schmust im Sitzen mit einem großen, weißen Hund.
Ramona
Lütjohann,

Hundetrainerin & Tierpflegerin