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Vermenschlichung des Hundes in der Hundeerziehung? Oder: Stimmt nicht immer.

Ein Golden Retriever zieht sehr stark an der Leine.
Dieser Golden Retriever ist abgelenkt und reagiert nicht mehr auf eine Ansprache – er zieht an der Leine.

In der Entwicklung der Mensch-Hund-Beziehung wird die zunehmende Vermenschlichung des Hundes angeklagt. Diese sei der Ursprung vielen Übels, der Grund für immer mehr schlecht erzogene oder verhaltensauffällige Hunde und als Resultat auch für überforderte Hundehalter. Vermenschlichung bedeutet, den Hund wie einen Menschen zu behandeln, das erklärt sich von selbst. Unsere Hundeschule sagt: Würde die Mehrheit der Hundehalter ihren Hund tatsächlich vermenschlichen, gäbe es womöglich deutlich weniger schlecht erzogene Hunde. Denn:

Das häufigste Problem in der Hundeerziehung ist, dass der Hund auf eine Ansprache des Menschen nur nach Belieben reagiert – gleichwohl ob es nun Komm, bei Fuß, Sitz oder Aus betrifft. “Er macht es, wenn er will. Und wenn er nicht will, macht er es nicht”, ist eine Aussage, die auf die meisten unerzogenen Hunde zutrifft. Häufig reagiert der Hund nicht einmal dann zuverlässig, wenn er in der Nähe des Hundehalters ist und dieser Zugriff auf den Hund hat wie z. B. an der Leine oder im Wohnbereich.

Der Hund ignoriert die Ansprache des Menschen sofern er gerade etwas Anderes interessanter findet. Der Mensch wiederholt seine Ansprache. Der Hund ignoriert sie wieder. Der Mensch wiederholt seine Ansprache erneut. Der Hund ignoriert sie immer noch. Dieses Hin und Her wiederholt sich beliebig oft und endet häufig damit, dass der Mensch nachgibt und seine Ansprache verfallen lässt.

Die Gefährlichkeit dieses schlechten Zusammenspiels wird häufig unterschätzt. So lernt der Hund auch in dieser missglückten Situation: Er hat gelernt, dass seine Ignoranz geduldet wird, dass er sich dieses respektlose Verhalten erlauben kann. Und das spiegelt sich schlussendlich im gesamten Zusammenleben zwischen Mensch und Hund wieder.

Im Zuge der vermeintlichen Vermenschlichung des Hundes übertragen wir dieses Beispiel nun einmal auf Menschen untereinander: Sie sprechen Ihren Bekannten an, der neben Ihnen geht. Dieser reagiert nicht. Sie wiederholen Ihre Ansprache. Keine Reaktion. Sie wiederholen Ihre Ansprache erneut. Ihr Bekannter reagiert immer noch nicht.

Würde sich nun dieses Hin und Her noch weitere Male wiederholen und das nicht nur in diesem Moment sondern auch in den folgenden Tagen und Wochen mehrmals täglich, so würden Sie darauf – in welcher Art und Weise auch immer – reagieren. Ein solches Verhalten empfindet man als unhöflich, respektlos, frech und es ist letztendlich auch unter erwachsenen Menschen schwer vorstellbar, wiederholt ignoriert zu werden.

Ein Mensch würde sich dieses respektlose Verhalten von einem anderen Menschen nicht gefallen lassen. Eine Reaktion, die den Unmut über diese Ignoranz deutlich zeigt, würde mit Sicherheit  folgen. Anschließend würde konsequent darauf geachtet werden, dass sich dieses ignorante Verhalten nicht wiederholt.

Nun wieder zurück zu Mensch-Hund-Beziehung, der die Vermenschlichung unterstellt wird: Wie oft werden Ihre Ansprachen – ob nun unter Ablenkung oder nicht – von Ihrem Hund ignoriert?

Etwas mehr Vermenschlichung würde in diesem Zusammenhang dem Hund und der erfolgreichen Hundeerziehung nicht schaden. Würden wir das Gleiche von unserem Hund wie von unseren Mitmenschen verlangen, so würden wir mindestens schonmal eine Reaktion auf unsere Ansprache verlangen – und in der Hundeerziehung einen großen Schritt vorangekommen sein.

verfasst von:

Eine blonde Frau schmust im Sitzen mit einem großen, weißen Hund.
Ramona
Lütjohann,

Hundetrainerin & Tierpflegerin